Rezension | Phobia | Wulf Dorn

"Das Schicksal ist ein launischer Weichensteller. Es führt Menschen zusammen, nur um sie wieder zu trennen. Und wenn es ihm gefällt, begegnen sie sich wieder - auf Wegen, die man sich in seiner wildesten Fantasie nicht vorstellen kann." - aus Sarah Bridgewater's Tagebuch


Eine Dezembernacht im Londoner Stadtteil Forest Hill. Sarah Bridgewater erwacht, als sie ihren Mann überraschend früh von einer Geschäftsreise nach Hause kommen hört. Doch der Mann, den sie in der Küche antrifft, ist nicht Stephen. Er trägt jedoch den Anzug ihres Mannes, hat dessen Koffer bei sich und ist mit Stephens Auto nach Hause gekommen. Der Fremde behauptet, Stephen zu sein, und weiß Dinge, die nur Sarahs Mann wissen kann. 

Für Sarah und ihren sechsjährigen Sohn Harvey beginnt der schlimmste Alptraum ihres Lebens. Denn der Unbekannte verschwindet ebenso plötzlich wieder, wie er bei ihr aufgetaucht ist, und niemand will ihr glauben. Nur ihr Jugendfreund, der Psychiater Mark Behrendt, kann ihr jetzt noch helfen. Ein psychologisches Duell mit dem Unbekannten beginnt. Und von Stephen Bridgewater fehlt weiterhin jede Spur … 

Schon ein Blick auf das Cover von Wulf Dorns neuestem Werk "Phobia" verrät einen spannenden Thriller und ich griff mit großen Erwartungen zu dem Buch - und diese wurden auch nicht enttäuscht. Der Autor befasst sich in "Phobia" mit dem Thema Angst und Persönlichkeitsstörung in Form von Identitätsdiebstahl. Eine interessante und doch auch beklemmende Thematik, die mir als Leser aber auf sehr gelungene und authentische Art vermittelt wurde, was unter anderem auch bestimmt daran liegt, dass Wulf Dorn lange Jahre beruflich in einer Psychiatrie tätig war. 

Gleich zu Beginn wurde ich von Nervenkitzel gepackt, denn ich befand mich umgehend mitten im Geschehen und dieses ließ mir wahrlich die Nackenhaare hochstehen.  Sarah und ihr Sohn Harvey befinden sich alleine Zuhause, da ihr Mann Stephen auf Geschäftsreise ist. Harvey kämpft mit Alpträumen und Sarah versucht ihn zu beruhigen. Dies fällt ihr nicht sehr leicht, da sie selbst schon einige Zeit lang von unbestimmten Ängsten geplagt wird. 

Eine Phobie, die ohne Gestalt und ohne Gesicht war, die jedoch eine Stimme hatte. Eine Stimme, die ihr zuflüsterte: Du wirst versagen.
Irgendwann wirst du versagen, und dann wird dein Kartenhaus zusammenbrechen. Es wird das Ende deiner Welt sein. Deine ganz persönliche Apokalypse. [Zitat Seite 2]

Doch sie schafft es, dass Harvey wieder einschläft. Als sie ein Auto die Auffahrt hochfahren hört, ist sie erleichtert, denn dies kann nur ihr Mann sein, der früher zurück ist als erwartet. Sie beschließt aufzustehen, um ihn zu begrüßen. Doch der Mann, der in ihrer Küche steht, ist nicht ihr Mann! Allerdings verhält er sich wie er, trägt seine Kleidung und er hat ihr sogar Blumen mitgebracht. Sarah ist geschockt. Sie flüchtet nach oben ins Schlafzimmer zu ihrem Sohn und verbarrikadiert die Türe. 
Wer ist dieser Mann? Und wo ist Stephen? Warum trägt er dessen Kleidung, fährt seinen Wagen und weiß Dinge, die nur Stephen wissen kann? 

Sarah gelingt die Flucht aus dem Haus und Hilfe naht. Allerdings ist der Fremde plötzlich verschwunden und die Polizei will ihr nicht so recht glauben. Nichts spricht für eine Gewalttat, auch nicht ihrem Mann gegenüber, den die Polizei schlafend in einem Hotelzimmer vermutet. Was geht hier vor? Sarah ist verzweifelt. Von Ängsten geplagt wendet sie sich schließlich an ihren alten Studienfreund Mark, der sich gerade in London aufhält und bittet ihn um Hilfe. Gemeinsam versuchen sie, diesen mysteriösen Umständen auf den Grund zu gehen, doch der Unbekannte scheint ihnen immer einen Schritt voraus zu sein... 

"Um die richtigen Antworten zu erhalten, muss man die richtigen Fragen stellen, Sarah. Leider stellst du noch immer die falschen Fragen." [Zitat Seite 17]

Wer schon Wulf Dorns erstes Werk "Trigger" gelesen hat, wird in dem ehemaligen Psychiater Mark Behrendt einen alten Bekannten wieder treffen. Die Bücher sind natürlich unabhängig voneinander zu lesen, und doch weiß der Autor geschickt seine Werke zu verknüpfen. 

Die akribisch genau geplante Vorgehensweise des Unbekannten, der in die Identität von Sarahs Ehemann Stephen geschlüpft ist, ist massiv beängstigend und doch auch irgendwie faszinierend. Für den Thriller sorgt es genau für die richtige Portion Nervenkitzel. Was geht vor im Kopf dieses Mannes, was bewegt ihn zu solch einer Tat? Und wie geschickt er sich bei seiner Vorbereitung angestellt hat, wie genau er die Familie beobachtete und sich selbst scheinbar banal wirkende Kleinigkeiten einprägte. Die Vorbereitung bedurfte ein massives Eindringen in das Privatleben der Familie über lange Zeit - unbemerkt, wohlgemerkt! Oder zumindest nicht bewusst wahrgenommen. Was jedoch das Unterbewusstsein aufgenommen hat, ist da eine ganz andere Frage, wenn man an Sarahs Ängste und an Harveys Albträume denkt. Gruselfaktor pur! 

Der weitere Verlauf der Geschehnisse zog mich in den Bann und ich war gefesselt davon. Leselangeweile kam zu keiner Zeit auf und aufgrund des leicht zu lesenden Schreibstils (einfache, unverschachtelte, nicht zu lange Sätze, kurze Kapitel) fiel es mir auch nicht schwer, trotz später Stunde weiterzulesen. Ich wollte einfach wissen, was dieser Unbekannte für Beweggründe hatte, wer er war und warum ausgerechnet Sarahs Familie in seinen Fokus geriet. 

Etwas ratlos wurde ich persönlich jedoch mit dem Handlungsstrang rund um Mark zurückgelassen. Nachdem ich das Buch mit dem sehr offenen Ende zugeschlagen habe, dachte ich erst: "war es das jetzt echt? nein, oder?" Ich habe sogar das letzte Kapitel zweimal gelesen, da ich dachte, ich hätte aufgrund der späten Lesestunde etwas Wichtiges überlesen. Habe ich nicht. Hier ist in der Tat davon auszugehen, dass ein weiterer Band folgen wird. Mir erschien der Grund, warum Mark überhaupt nach London reiste, wie "reingeworfen" in die eigentliche Geschichte. Der Zusammenhang wurde mir nicht klar und hier bleibe ich immer noch ratlos zurück. Und wie ich im Nachhinein feststellen muss, geht es mir da nicht alleine so. Diente dies als Vorbereitung für einen Folgeband? War ich so gefesselt vom Sarahs Part der Geschichte, dass ich etwas Wesentliches nicht beachtet habe? Ich hoffe und warte immer noch auf Aufklärung. 

EDIT: Zu meiner großen Freude durfte ich Wulf Dorn treffen und konnte ihm so meine Fragen zu Mark und dem Ende des Buches stellen. Ich möchte dazu nicht im Speziellen schreiben, denn ich müsste sonst gezwungenermaßen über das Ende spoilern. Aber es sei gesagt, dass ich mir nach dem Gespräch erneut Gedanken zum Gelesenen machte und ich für mich persönlich zufrieden bin. Das Ende bleibt dennoch offen, aber es soll dadurch aus zum Nachdenken anregen. Zum Nachdenken über unsere ureigensten Ängste und wie wir damit umgehen sollen / müssen. Das wir uns unseren Ängsten (egal welcher Art) stellen müssen und dass wir diesen nicht einfach davonlaufen können... 

Mein persönliches Fazit

Was macht für mich persönlich einen guten Thriller aus? Er muss mich mit seiner Handlung und Thematik fesseln und begeistern und dabei glaubhaft bleiben. Ich möchte mich dabei auch etwas gruseln und wenn es mir die Nackenhaare hochstellt, dann hat das Buch gewonnen. Dabei bedarf es kein massives Blutvergießen oder irgendwelche Abartigkeiten wie Leichenverstümmelung etc, worauf viele Thrillerautoren leider momentan sehr gerne setzen. Ich habe Phobia Abends begonnen und bis in die Nacht hinein gelesen, weil ich ihn einfach nicht aus der Hand legen konnte. Und was soll ich sagen: Die Nackenhaare standen definitiv hoch! Ich habe tatsächlich auf Geräusche im Haus gelauscht, fühlte mich plötzlich auch beobachtet und habe mich gegruselt. Heißt: der Thriller konnte mich überzeugen! 

© Rezension: 2014, Alexandra Zylenas 

[alexandra]

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